«Stolz auf meine Arbeit.»
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Zuhause Vietnamesisch, in der Schule Deutsch – der Alltag vom 21-jährigen Thu ist vielfältig und fordernd: Als seine Mutter schwer erkrankte, wurde es ihm zuviel. Ein spannendes Gespräch mit Thu und seiner Lehrperson Julian gibt Ihnen Einblick in das Bildungsangebot vom Läbesruum.
Thu, du machst eine Lehre als Kaufmann EFZ beim Läbesruum.
Ja, genau! Davor habe ich eine 2-jährige Lehre als Berufsassistent auf dem Pfarramt in Zürich absolviert. Als mir danach das Sozialamt als Anschlusslösung eine Lehre als Kaufmann EZF beim Läbesruum empfahl, war das eine gute Chance, eine Lehre mit EFZ zu machen.
Weshalb hast du dich für eine Lehre beim Läbesruum entschieden?
Nach meiner ersten Lehre geriet unsere Familie in eine schwere Krise. Meine Mutter wurde sehr krank und konnte nicht mehr für meinen jüngeren Bruder und mich sorgen, entsprechend erhielt sie als alleinerziehende Mutter Sozialhilfe. Ich war dazumal zwar bereits volljährig, allerdings noch nicht reif genug, um die Verantwortung und Sorge für die Familie alleine zu tragen. Eher das Gegenteil war der Fall: Die familiäre Situation erwies sich als eine grosse Belastung für mich. Deshalb war eine Lehrstelle im Läbesruum genau das Richtige für mich.
Wie sieht deine Lehre aus?
Der Läbesruum besteht aus sieben Fachbereichen, dem Bereich Hilfsarbeiten und zwei Beschäftigungsprogrammen, jedes Jahr darf ich in einem anderen Bereich arbeiten. Aktuell arbeite ich am Empfang im Fachbereich Finanzen & Personal: Ich nehme Anmeldungen entgegen, betreue und berate die Kundschaft und Mitarbeitende, erfasse und kontrolliere Personaldaten im Personalsystem, unterstütze in verschiedenen Personalprozessen und erledige die klassischen Büroaufgaben. Davor habe ich bereits im Fachbereich Reinigungen & Hauswartungen und in der Buchhaltung gearbeitet.
Und welche Arbeiten hast du im Fachbereich Reinigungen & Hauswartungen gemacht?
Im Team Reinigungen & Hauswartungen durfte ich bei den Kundinnen und Kunden vor Ort Praxiserfahrungen sammeln, ich habe z. B. Plattenböden und Fenster gereinigt. Das half mir beim Offerieren unserer Dienstleistungen, weil ich z. B. besser einschätzen konnte, wie aufwändig gewisse Arbeiten sind. Beim Empfang habe ich jedoch mehr Kundenkontakt. Dort lerne ich gut, die Bedürfnisse von Kunden und Kundinnen abzuholen.
Parallel gehst du auch zur Schule?
Ja, ich gehe an zwei Tagen in die Berufsschule und begleitend nutze ich das Bildungsangebot vom Läbesruum. Jeden Mittwochvormittag gehe ich mit Julian Schulstoff durch, den ich vorher nicht gut verstanden habe oder mir in der EBA nicht vermittelt wurde – z. B. die Grundlagen vom Rechnungswesen.
Julian, kommen noch weitere Lernende zu dir?
Ja, von elf Lernenden sind sieben bei mir im Unterricht. Gleichzeitig begleite ich noch zwei Teilnehmende, die eine externe Ausbildung machen. Und vier Personen, die sich für eine Ausbildung interessieren. Sie bereiten sich zurzeit mit mir auf den Multi-Check vor.
Thu, wie profitierst du vom Bildungsangebot?
Ich konnte meine Noten verbessern. Sie sind jetzt genügend, das ist ein Erfolgserlebnis (strahlt)! Ich bin froh, dass Julian so intensiv mit mir arbeitet. In meiner Schulklasse hat es 18 Schülerinnnen und Schüler, und die Lehrerin hat nicht genügend Zeit, auf jede einzelne Person einzugehen. Bei Julian ist das genau das Gegenteil, er nimmt sich für jeden Einzelnen viel Zeit.
Sprichst du mit deinen Eltern Vietnamesisch?
Ja, zuhause rede ich Vietnamesisch. Meine Eltern kommen beide aus Vietnam und sprechen nur einfaches Hochdeutsch, sie können nicht mit mir lernen. Dank des Bildungsangebots kann ich mein Deutsch verbessern – und natürlich auch über den Austausch mit Kolleginnen und Kollegen auf der Arbeit und in der Schule.
Julian, inwiefern können Teilnehmende vom Bildungsangebot profitieren?
Wir bieten eine ruhige Lernatmosphäre. Viele haben zuhause keinen Arbeitsplatz, an dem sie sich gut konzentrieren können. Hier werden sie nicht abgelenkt und alles ist vorhanden. Weiter ist das Repetieren und Festigen von Schulstoff wichtig. Bildungslücken z. B. in Deutsch oder Mathe, die beispielsweise aufgrund der sprachlichen Barriere entstanden sind, werden in der Berufsschule nicht aufgearbeitet. Dort werden die Kenntnisse vorausgesetzt. Es ist ein grosses Plus, dass wir hier im Läbesruum bei diesen Lücken nochmals ansetzen dürfen.
Ist die sprachliche Barriere oft ein Grund für eine Bildungslücke?
Ganz sicher! Die Einschulung ist zwar das beste Mittel, um unsere Landessprache sehr schnell zu lernen. Allerdings verpasst ein Kind viel in der Schule, wenn es sprachlich nicht mithalten kann. Werden später die Sprachkenntnisse besser, ist es natürlich viel einfacher, den Schulstoff nachzuholen. Es gibt jedoch auch andere Risikofaktoren für Bildungslücken, z. B. Konzentrationsschwierigkeiten, Suchtprobleme oder instabile familiäre Verhältnisse. Je mehr Risikofaktoren vorhanden sind, desto grösser ist die Chance, dass jemand Unterstützung beim Lernen braucht.
Julian, wie ist die Stimmung während der Unterrichtszeiten?
Konzentriert, angenehm, freundlich, höflich, dankbar: Jeder arbeitet an seinem Programm und hat sein persönliches Ziel vor Augen. Unsere erwachsenen Teilnehmenden sind reifer als Schülerinnen und Schüler der Sekundarschule. Sie haben mehr Lebenserfahrung und wissen, wofür sie lernen. Gleichzeitig besteht Austausch, Neugierde und Interesse zwischen den verschiedenen Kulturen. Wir haben Spass und wir lachen oft zusammen. Es ist für uns alle wie eine kleine Oase.
Interview und Text: Keete Wood
Ein erfolgreicher Lehrabschluss ermöglicht eine nachhaltige berufliche Integration und neue Perspektiven.
Wir bieten EBA- und EFZ-Lehren in verschiedenen Berufsfeldern. Hier erfahren Sie mehr. Das Bildungsangebot erhöht die Chancen auf einen erfolgreichen Abschluss.